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Unsere Geburtsgeschichte

Updated: Oct 16, 2020

Bereits vor der Geburt von Loumi hatte ich die Absicht meine Geburtsgeschichte später mal teilen zu wollen, allerdings dachte ich, ich würde eine andere Geschichte erzählen. Dennoch war mir kurze Zeit nach der Geburt klar, dass auch diese Geschichte, so anders als gewünscht sie auch verlief es wert wäre geteilt zu werden.

Auch wenn es nicht die Geschichte ist, die ich euch gerne erzählt hätte - nämlich die einer perfekten, friedlichen Hausgeburt - so ist es dennoch meine Geschichte und rückblickend eine sehr wundervolle Geschichte. Ein wichtiger Teil für diese Ansicht ist auch mir erlaubt zu haben, neben all der Liebe und Freude für die Geburt meines Kindes, auch den Schmerz zu spüren der mir durch den Verlauf dieses Erlebnisses "geschenkt" wurde.



Druck & Unsicherheit


Je mehr Tage nach dem errechneten Geburtstermin vergingen, desto mehr begann ich, langsam aber doch etwas Druck zu verspüren. Nicht den Druck den wir uns gewünscht hätten, nämlich in meiner Gebärmutter Richtung Ausgang, sondern mentalen Druck. Ich wollte vertrauen, aber jeder Tag ließ mich ein wenig mehr zweifeln - wenn man weiß, dass man dem Ablaufdatum einer möglichen Hausgeburt näher ist als dem Geburtstermin, dann spielt Zeit eine Rolle.

Meine Hebamme war bereit 14 Tage über den Geburtstermin hinaus zu warten, um mich bei meiner Hausgeburt zu begleiten, aber danach musste ich ins Krankenhaus gehen - eine Allein-Geburt ist in Österreich nicht "erlaubt", abgesehen davon, dass ich mich dafür auch nicht sicher genug gefühlt hätte.

Nichtsdestotrotz ist das mit dem Geburtstermin so eine Sache, denn er erzeugt eine Menge Druck. Und letztendlich ist es doch so, dass Babys irgendwann raus kommen...


Wie auch immer, ich möchte nun beginnen meine Geburtsgeschichte zu erzählen... in meinen Augen beginnt sie bereits ein paar Tage vor der Geburt... du kannst aber auch direkt zu Donnerstag, 12:30 Uhr springen ;)



Dienstag, 15. September 2020 - 40 Wochen + 9 Tage


Heute hatten wir einen weiteren Termin mit unserer Hebamme. Wie immer führte sie alle Routinekontrollen an mir durch. An diesem Tag schrieb sie mir außerdem eine Liste mit sanften, natürlichen geburts-einleitenden Maßnahmen die wir von nun an täglich anwenden sollten. Vom Trinken von Masala Chai, über das Massieren meines Bauches mit Nelken- und Zimtöl, über das Einführen eines Nelkenöltampons, Fußbäder mit Senfkornmehl bis hin zu Sex natürlich.

Abgesehen davon, dass sie mir von all diesen Dingen erzählte, erwähnte sie auch, dass ich für Donnerstag oder Freitag einen Termin im Krankenhaus vereinbaren sollte, nur damit sie mich schon einmal kennengelernt haben falls wir doch am Montag kommen müssten.

Das war das Erste von vielen Malen der folgenden Tage, dass ich zu weinen begann. Der Gedanke daran meine so sehr erhoffte Hausgeburt aufzugeben, um im Krankenhaus zu gebären machte mich traurig und ein wenig verzweifelt. Zum ersten Mal wurde mir klar wie sehr ich mich gegen eine Geburt im Krankenhaus gewehrt hatte und wie sehr ich diese Möglichkeit nicht wahrhaben wollte.



Mittwoch, 16. September 2020 - 40 Wochen + 10 Tage


Auch wenn mich der Gedanke an eine Geburt im Krankenhaus traurig machte wusste ich, dass es Zeit war mich vorzustellen, nur für den Fall der Fälle. Ich rief am frühen Morgen an, um einen Termin zu vereinbaren und man sagte mir, ich solle noch am selben Tag um 11.45 Uhr kommen. Ich war überrascht aber dachte "nun gut, bringen wir es hinter uns" (ja, genau das waren meine Gedanken).

Also kam 11.45 Uhr, und ich nahm meinen Termin im Krankenhaus Feldbach wahr, natürlich allein - angesichts der aktuellen globalen Situation durfte Markus nicht mit kommen.

Als die Hebamme meinen Namen aufrief, sich vorstellte und mich fragte warum ich hier sei - rate mal was ich in dem Moment in meinen Augen hatte als ich ihr sagte, dass ich eigentlich eine Hausgeburt und nicht hier sein wollte.

Sie war offensichtlich gerührt und antwortete sehr einfühlsam, dass es ihr leid täte und sie verstehe, dass es schwer ist wenn man so konkrete Vorstellungen und Wünsche hat.

Ich war von ihrer Freundlichkeit überrascht, denn eigentlich ging ich mit der Einstellung ins Krankenhaus, dass man dort vermutlich "gegen" mich und meine Vorstellung einer Hausgeburt sein könnte und dass es im Allgemeinen nicht viel Verständnis für mich oder Interesse an meinen Wünschen geben würde. Diese Hebamme war so freundlich und fürsorglich, dass sie schon in dieser ersten halben Stunde meine Sichtweise auf das Krankenhaus ein wenig verändert hatte.

Nachdem die CTG-Untersuchung abgeschlossen war - die übrigens absolut perfekte Herztöne meines Babys angezeigt hatte - ging ich wieder nach draußen und wartete bis der Arzt mich zu sich rief.


Etwas später rief mich eine Ärztin auf. Sie unterhielt sich mit mir, führte die Ultraschall-Untersuchung durch und auch sie war so nett und verständnisvoll, dass ich es kaum glauben konnte. Auch hier konnte ich meine Tränen nicht zurück halten, als ich mich im Gespräch mit ihr erneut dieser möglichen neuen Realität stellte die ich vielleicht annehmen musste.

Nach dem Ultraschall und den Messungen sagte sie mir, dass sie möchte, dass ihr erfahrener Kollege ebenfalls einen Blick darauf wirft, weil sie gerne eine Kontrolle ihrer Messungen hätte.

Kurz darauf kam ein Arzt in den Raum den ich bereits mehrmals im Gang auf und ab laufen sah, wo er einen sehr sympathischen Eindruck machte, der sich sofort bestätigte. Auch er war so nett und fürsorglich und einfühlsam im Umgang mit mir. Er führte noch einen Ultraschall durch und beide Ärzte waren sich nun einig, dass unser kleines Mädchen kein Schwergewicht sein würde. Ihre Messungen schätzten das Geburtsgewicht auf 2800 g.

In österreichischen Krankenhäusern ist es üblich spätestens zehn Tage nach dem Geburtstermin einzuleiten, in einigen Krankenhäusern sogar schon sieben Tage nach dem Geburtstermin. Beide ermutigten mich zu bleiben und noch am selben Tag die Geburt einzuleiten - vor allem weil es so aussah als würde Loumi ein zartes Baby sein und sie befürchteten, dass sie nicht stark genug sein würde, um die Geburt durchzustehen. Der Arzt teilte mir auch mit, dass es einen Spezialisten aus Barcelona gäbe, der empfiehlt die Geburt besonders zarter Babys bereits einige Wochen vor dem Geburtstermin einzuleiten.


Mein Gefühl war jedoch ein anderes, gänzlich anderes. Meine gesamte Schwangerschaft fühlte ich mich so gesund und fit und vollkommen im Vertrauen. Sämtliche Messungen meines Baby's "entsprachen den Normtabellen" wie meine Frauenärztin bei mehreren Untersuchungen freudvoll zum Ausdruck brachte.

Ich war zuversichtlich und im Vertrauen und entschied mich, dass ich noch ein paar Tage warten würde, zumindest bis zum Wochenende und dann würden wir weitersehen. Ich sagte den Ärzten wie sehr ich ihre Freundlichkeit und Offenheit schätze und welch gutes Gefühl dem Krankenhaus gegenüber mir der Besuch an diesem Tag schenkte.

Meine Hausgeburts-Hebamme war bereit mit mir bis Sonntag zu warten, genauso wie ich es war und alle Tests an diesem Tag ergaben keinen unmittelbaren Grund oder eine Gefahr für mein Baby die dafür stünden noch heute die Geburt einzuleiten. Die Ärzte erwiesen mir beachtlichen Respekt und akzeptierten meine Entscheidung. Wir einigten uns, dass ich am Freitag für eine weitere CTG-Untersuchung wiederkommen würde - womit ich völlig im Frieden war.


An diesem Tag im Krankenhaus änderte sich mein Blick auf Krankenhäuser und Geburten in einem Krankenhaus völlig. Aus irgendeinem Grund hatte ich diese schreckliche Vorstellung von einer Geburt im Krankenhaus - Stress, Unbehagen, viele eilende Menschen die keine Zeit für mich haben und es einfach hinter sich bringen wollen. An diesem Tag, bei diesem Termin, in diesen Gesprächen mit einer Hebamme und zwei sehr fürsorglichen Ärzten fühlte ich mich plötzlich erstaunlich wohl bei dem Gedanken, dass ich vielleicht wieder hierher zurückkommen und mein Baby im Krankenhaus zur Welt bringen müsste. Es war eine großartige und schöne Lektion, für die ich sehr dankbar war.


Markus wartete die ganze Zeit vor dem Krankenhaus, und auf dem Rückweg nach Hause hielten wir an einem Laden an, um einige Lebensmittel zu kaufen. Während wir die Besorgungen machten, fühlte ich wie ich plötzlich sehr nass wurde "da unten". Bereits seit dem Morgen hatte ich das Gefühl etwas mehr Ausfluss zu haben, schenkte dem aber bis zu dem Moment im Supermarkt keinerlei Bedeutung. Ich holte mir die Schlüssel von Markus und ging bereits zum Auto zurück während er die Einkäufe beendete und ich mir ein Taschentuch ins Höschen steckte - das war alles was ich auf die Schnelle hatte.

Als wir etwa 30 Minuten später zu Hause ankamen, schrieb ich meiner Hebamme und versuchte mit ihr per Nachricht herauszufinden ob es sich um einen Blasensprung handelte. Wir behielten das Ganze noch für ein paar Stunden im Auge, bis sie letztendlich gegen 21.30 Uhr zu uns kam, um sich zu vergewissern was es wirklich war.


Ein Fruchtwasser-Schnelltest bestätigte unsere Vermutung. Grundsätzlich wäre ein Blasensprung Grund zur Vorfreude auf die nun endlich startende Geburt - leider hatte ich bislang keinerlei Wehen die ebenfalls für eine erfolgreiche Geburt essentiell wären.

Meine Hebamme klärte mich auf, dass bei einem frühzeitigen Blasensprung (also Blasensprung ohne Wehen) ein gewisses Infektionsrisiko für das Baby bestünde und wir aus diesem Grund nicht länger als 24h nach Blasensprung warten konnten, um die Wehen einzuleiten wenn sie das nicht von selbst täten. Nachdem mir nicht ganz klar war wann genau meine Fruchtblase "geplatzt" ist, da ich ja bereits am Morgen stärkeren Ausfluss als üblich bemerkte, einigten wir uns auf 11.30 Uhr.


Wir einigten uns also, dass ich bzw. wir - Loumi und ich - bis Donnerstag 11.30 Uhr Zeit hätten unsere Geburt zu Hause zu erleben, wenn ich bis dahin zumindest starke geburtseinleitende Wehen hätte. Wäre das nicht der Fall müssten wir also morgen mittags ins Krankenhaus um die Geburt einzuleiten.

Ehrlich gesagt, war das das erste Mal, dass ich mich ein bisschen so fühlte als würde ich versagen. Ich weinte, fühlte mich verzweifelt und hoffnungslos. Warum, schien die Vision meiner Geburt nicht ganz einfach zu mir zu kommen, warum so viele Hürden? Warum kann es nicht ganz einfach gehen, was stimmt mit meinem Körper nicht?

Diese und viele andere Fragen tummelten sich in meinem Kopf.


Gegen 23.30 Uhr in dieser Nacht gingen wir schlafen, in der Hoffnung, dass die Nacht uns Wehen bringen würde.


Donnerstag, 17. September 2020 - 40 Wochen + 11 Tage

Ich hatte in dieser Nacht einen sehr leichten Schlaf und erwachte gegen 3 Uhr morgens zu etwas intensiveren Wellen. Irgendwann begann ich mit meiner App zu messen und war so glücklich als ich ein gewisses Muster erkennen konnte. In Abständen von 5-6 Minuten spürte ich 30-40 Sekunden lange Kontraktionen. Plötzlich spürte ich diese Zuversicht und Freude, dass mein Körper doch "funktioniert", dass ich es schaffen werde und wir unsere ersehnte Hausgeburt erleben können. Ich war zuversichtlich, dass die Wehen jetzt nur noch stärker und intensiver werden würden.


Kurz nach diesem Hoffnungsschimmer war ich wohl wieder eingeschlafen, nur um gegen 8.30 Uhr aufzuwachen und praktisch keine Anzeichen von Wehen zu verspüren. Ich zählte die Stunden und stellte mich nun auf die wahrscheinlichste Realität ein, dass ich in den nächsten drei Stunden keine geburtseinleitenden Wehen mehr bekommen würde.

Ich war traurig, aber bereit anzunehmen. Ich. hatte keine andere Wahl, als mich schnell an eine neue und doch irgendwie unerwartete Realität anzupassen, die sich offenbar entfalten wollte.

So verbrachten wir die nächsten Stunden damit das Haus zu Putzen, das Bett frisch zu beziehen und den Geburtspool, den wir bereits aufgestellt und zur Hälfte mit Wasser gefüllt hatten wegzuräumen. Wir bereiteten unser Zuhause nun so vor, dass wir uns wohl fühlen und vollkommen entspannen konnten, wenn wir am nächsten Tag mit unserem Baby nach Hause kommen würden - zumindest dachten wir das.


Donnerstag, 17.September 2020, 12.30 Uhr


Gegen 12.30 Uhr erreichten wir das Krankenhaus. Markus musste draussen warten, sie sagten mir, dass sie ihn reinlassen werden, sobald sich mein Muttermund zu öffnen beginnt und die Geburt absehbar ist.


Meine Hausgeburts-Hebamme hatte das Krankenhaus bereits kontaktiert, um ihnen mitzuteilen dass ich ins komme, und hatte sie bereits über meine Geschichte informiert - dass wir unsere geplante Hausgeburt nun ins Krankenhaus verlegen musste und was der Grund dafür wr. Ich kam an und wurde sofort in den Kreißsaal geschickt, wo mich eine sehr freundliche Hebamme begrüßte.

Natürlich wurde ich sofort an das CTG gehängt, um die Herztöne des Babys zu überprüfen. Weiters wurden mir außerdem Antibiotika intravenös verabreicht, da mein Blasensprung bereits längere Zeit aus war, dies das Infektionsrisiko für unser Baby erhöhen würde und die Antibiotika das Risiko wiederum minimieren sollten. Ich hinterfragte eine Antibiotika Verabreichung, anders als üblicherweise in meinem Leben, natürlich in diesem Fall nicht mehr.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich sehr, sehr leichte Wehen, die ich selbst zwar kaum wahrnehmen konnte, das CTG Messgerät allerdings schon. Nachdem ich eine Weile am CTG hang, kamen die Hebamme und eine Ärztin in den Raum. Irgendwo in mir drinnen war ich sehr erfreut eine betreuende Ärztin während meiner Geburt zu haben.


Die beiden kamen allerdings, um mir zu sagen, dass sie nicht ganz so erfreut von den CTG-Messungen waren. Sie hatten bemerkt, dass bei jeder noch so leichten Kontraktion der Herzschlag unserer Tochter stark abfiel. Der Grund dafür, dass sie darin ein potentielles Problem sahen war, dass Loumi - würden wir Wehen künstlich einleiten und verstärken, womit wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht begonnen hatten - möglicherweise zu viel Stress hätte und sich nicht erholt, wenn bereits diese sehr leichten Wehen so messbare Unterschiede brachten.

Das mögliche Ergebnis, wie sie mir dann mitteilten, könnte ein Kaiserschnitt, im schlimmsten Fall ein Not--Kaiserschnitt werden.

Du kannst dir vielleicht vorstellen, was in diesem Moment in mir abging - ich war plötzlich konfrontiert mit einem möglichen Ereignis, das ich mir bis zu diesem Zeitpunkt noch nie als meine Realität vorstellen hätte können oder wollen. Wieder zerkrümelte ich innerlich ein kleines bisschen.

Sie erlaubten mir allerdings dann Markus zu kontaktieren, um ihn zu mir ins Krankenhaus bzw. den Kreißsaal zu lassen und mir zur Seite zu stehen. Markus ab jetzt auf dieser Reise bei mir zu haben brachte in diesem Moment Erleichterung und wieder etwas Freude.


Nach etwas längerer Beobachtung des CTG kam letztlich die erfreuliche Nachricht, dass Louis Herzschlag nun anscheinend stabil genug wäre und wir mit der Einleitung beginnen könnten. Sie empfohlen mir eine intravenöse Verabreichung von Oxytocin, dessen Dosis wir Stufe für Stufe stündlich erhöhen konnten, um genau zu beobachten wie Baby mit den Wehen umgeht.


Nur wenige Minuten nach mir Oxytocin auf Stufe 2 von maximal 10 verabreicht wird, begann ich stärkere Kontraktionen wahrzunehmen. Ich war so glücklich - mein Körper arbeitete. Er funktionierte. Nach der ersten Stunde untersuchte sie meinen Muttermund und stellte fest, dass er sich bis jetzt noch kein bisschen geöffnet hatte. Weniger als eine Fingerkuppe breit.

Die Ärztin kam jede Stunde, um die Infusion weitere zwei Stufen hochzudrehen. Stunde für Stunde wurden meine Wehen stärker.

Nach zwei Stunden eine weitere Muttermund Kontrolle - nichts. Kein bisschen weiter. Ich saß bis zu dem Zeitpunkt nur auf dem Bett, auf eine Art und Weise wartend. Die Ärztin meinte, dass offensichtlich nicht genug Druck "von oben" kam, um den Muttermund aufzudrücken. Wir erhöhten also das Oxytocin weiter, in der Hoffnung, dass stärkere Wehen zur Öffnung führen würden. Wir waren nun bei Stufe 6 von 10, als ich einen kleinen Sinneswandel hatte.


Ich hatte das Gefühl, bis zu diesem Zeitpunkt fast "faul" auf dem Bett gelegen zu haben und nur darauf zu warten, dass etwas passierte. Also stand ich auf, holte mir meine AirPods in die Ohren und begann meine "happy birth" Playlist abzuspielen - von der ich ehrlicherweise gar nicht dachte sie während meiner Geburt zu hören.

Aber etwas in mir sagte mir, dass es jetzt an der Zeit sei, mich zu bewegen, ich hatte mich genug entspannt, es war an der Zeit "an die Arbeit" zu gehen (to go into labor) - im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich begann zu tanzen und meine Hüften zu kreisen, wie ich es in den vielen Stunden der Vorbereitung mit meiner Hebamme und Doula in den Monaten zuvor gelernt hatte. Meine ganze Einstellung änderte sich, und ich war entschlossen, meinen Traum einer vaginalen Geburt zu verwirklichen. Die Wehen wurden so stark, dass ich während der Wehen nicht mehr sprechen konnte und tief zu atmen und tönen begann. Die Musik machte es mir so viel leichter, so dass ich mich jeder einzelnen Welle hingeben konnte. Obwohl sie viel stärker waren als die vorhergehenden, fühlte ich mich so gut. Wie jede Wehe im Rhythmus der Musik in meinen Ohren durch meinen Körper floss. Zum ersten Mal seit einer Weile fühlte ich mich selbstbewusst und stark und ich begann meine Vision einer vaginalen Geburt wieder zu sehen - so wie die Natur es vorgesehen hatte zu gebären.


Die Kontraktionen waren so intensiv, dass ich mich irgendwann nicht mehr auf die Musik konzentrieren konnte, ich hatte zwar meine AirPods noch im Ohr, aber schon länger keine Musik mehr an. Ich konzentrierte mich darauf, tief durch zu atmen und sanft zu tönen, um mit dem Rhythmus der Welle zu gehen - die Hebamme erinnerte mich jedes mal an eine Tiefe Atmung und Töne.

Ich bewegte mich vom Stehen auf die Matratze, die sie auf dem Boden zur Verfügung gestellt hatten. Markus war direkt neben mir. Soweit ich mich erinnere, berührte er mich manchmal, aber die Erinnerung an Details im Außen hier ist wage.

Die Hebamme ermutigte mich, dass dies schöne, starke Wehen seien, die die Geburt einleiteten. Ich fühlte mich so glücklich und stolz. So stolz auf meinen Körper und so glücklich, dass ich diese Intensität erleben durfte. Das war es, wovon ich all die Monate der Vorbereitung träumte, die Intensität einer Geburt zu spüren. Einzutauchen in das, was es bedeutet, einen Menschen zu gebären. Und da hatte ich diese wunderschönen intensiven Wehen, die den Weg zur Geburt meines Kindes wiesen.


Donnerstag, 17.09., gegen 17.30 Uhr

Der Ärztin kam erneut, um nach meinem Muttermund zu sehen. Was sie mir sagte, war nicht das, was ich hören wollte. Meine Muttermund war immer noch komplett verschlossen. Er hatte sich nicht im Geringsten geöffnet. Sie schaute mir in die Augen und ließ mich wissen, dass die Zeit nicht unser Freund war, weil meine Fruchtblase schon vor langer Zeit geplatzt war und wir absolut alles versucht hatten, es scheinbar aber einfach nicht passieren auf diese Weise passieren wollte. Ich wusste, was das bedeutete. Es machte mich traurig, aber ich vertraute ihr, ich vertraute ihr vom ersten Moment an, als wir uns in diesem Kreißsaal begegneten.


Als sie noch ein letztes Mal meinen Muttermund abtastete, sagte sie etwas, was nun tatsächlich etwas bewegte in mir. Sie beschrieb meinen Gebärmutterhals wie ein dickes Gummiband, das sehr eng sitzt, und fragte mich, ob ich jemals eine Operation an meiner Gebärmutter hatte.


In diesem Moment brach ich in Tränen aus und begann so heftig zu weinen - ich konnte nichts mehr zurückhalten. Ich sah sie an und sagte: "Ich hatte vor über 10 Jahren in Thailand eine Abtreibung. Die Art und Weise, wie sie durchgeführt wurde, war so grausam und brutal" - in diesem Moment war ich überzeugt, dass mir damals etwas "kaputt" gemacht wurde. Ich war damals emotional gebrochen und dachte nun, dass auch mein Körper, mein Muttermund von dem, was vor 10 Jahren geschah "gebrochen" wurden.


Die Ärztin sah mich mit Tränen in den Augen an, so berührt von meiner Offenheit, und sagte: "Vielleicht ist das jetzt Ihre Chance zu heilen."


Sie verließen das Zimmer, um den Operationssaal vorzubereiten, und kamen kurze Zeit später wieder mit einem Bett, um mich in den OP zu bringen und injizierten mir noch einen Kontraktionsblocker. Der Wehen-Blocker ließ mein Herz wie verrückt rasen.


Sie schoben das Bett bis in den Eingangsraum vor dem OP von aus ich aufstehen und in den OP gehen sollte. Markus war noch nicht da, sie gaben ihm Kleidung zum Wechseln und würden ihn später hereinlassen, wenn ich für den Kaiserschnitt fertig und bereit wäre.

Die gleiche Hebamme war immer noch an meiner Seite. Einige Tage nach meiner Geburt erfuhr ich, dass sie über ihre Schicht hinaus blieb, weil sie diesen Weg bis zum Schluss mit mir gehen wollte.


Als ich den Operationssaal betrat, katapultierte mich die ganze Intensität der Wehen und des Oxytocins, gepaart mit meinen Gefühlen und meinem rasenden Herzen von dem Wehen-Blocker, in Kombination mit der eiskalten Luft dieses Raumes, dem hellen Licht, dem Edelstahl und den vielen vielen Menschen in Grün die durch den Raum rannten, in eine Welt, die sich wie eine andere anfühlte.

In dem Moment, als ich mich auf das Operationsbett setzte und von allen Seiten Menschen auf mich zukamen, um mich mit allen möglichen Dingen und Kabeln und Maschinen zu verbinden, hatte ich das Gefühl, nicht mehr ganz da zu sein, nicht mehr in diesem Körper zu sein. Ich konnte alles hören und wahrnehmen, aber ich fühlte mich distanziert von "mir". Ich zitterte und bebte so sehr. Es war so kalt.


Und als ich da so saß, die Hebamme meine Hände hielt und leise mit mir sprach, während ich den Anweisungen des Anästhesistin folgte, die mich auf den Kreuzstich vorbereitete - da war ich gefühlt nicht mehr ganz hier. Ich konnte alles hören und tun, was sie von mir wollten, aber das einzige was mir in Dauerschleife durch den Kopf ging, war: "Wie verrückt ist dieses Leben. Wie verrückt, was ein Mensch alles erleben kann, was für eine unbeschreibliche Erfahrung ich hier gerade mache".

Ich fühlte kein Urteil mehr, ich fühlte mich weder gut noch schlecht, irgendwie hatte ich Ehrfurcht davor, was das Leben für einen zu wählen vermag - die Erfahrungen, die wir machen können und sollen.

Und trotz dieser faszinierenden Sichtweise, habe ich rückblickend ein wenig das Gefühl, dass es auch ein Bewältigungsmechanismus war und ich mich auf eine Art und Weise betäubt hatte - denn alles was hier passieret war so unerwartet und anders als das wovon ich monatelang geträumt hatte.


Endlich war ich bereit für die Operation. Sie ließen Markus zu mir kommen und sich neben mich setzen. Meine Arme waren an das Operationsbett gefesselt, ich hatte eine Sauerstoffmaske im Gesicht, und meine Sicht und Wahrnehmung waren verschwommen. Es dauerte eine Sekunde, bis ich Markus erkannte, wohl auch weil er eine grüne Mütze und Maske und einen grünen Anzug trug.

Nun begann es. Ich fühlte natürlich keinen Schmerz, aber ich spürte, dass etwas geschah. Vor allem, als sie anfingen, mich "aufzureissen" - was ein starkes Ruckeln an meinem Unterkörper erforderte. So verrückt das auch klingen mag, sie tun das, weil ein Riss leichter heilt als ein Schnitt.


Donnerstag, 17.09., 18.23 Uhr

Nun ging alles irgendwie sehr schnell und nach wenigen Minuten hörten wir ein kurzes Aufquietschen unseres Baby's, kein weinen nur ein kurzer Ton. Ich schaue Markus an, er mich. Wir hören wie jemand sagt: "Da ist sie" und für den Bruchteil einer Sekunde sehe ich ein winzig kleine Babygesicht mit großen Augen hinter dem Sichtschutz zu meinem Unterkörper hin hervorblicken. So kurz, ich konnte es noch immer nicht begreifen.

Gleich darauf wurde Loumi nach draußen getragen, Markus geht direkt mit, um die Nabelschnur durchzuschneiden. Ich sehe sie vom OP Tisch aus im Nebenraum stehen. Die nächsten Minuten fühlten sich an wie Stunden. Sie zu beobachten, zu wissen, dass sie da draußen war, aber immer noch nicht ganz begreifen zu können, dass sie jetzt hier war, dass es das jetzt war. Dass unser Baby geboren wurde.


Markus und Loumi kamen zurück in den OP, meine Armbänder die mich am OP Tisch festhielten wurden gelöst und jemand legte mir Loumi auf die Brust. Ich sah ihr in die Augen, fühlte ihren kleinen Körper, blickte Markus in die Augen - es war so unwirklich. Da war sie. Dieses kleine Wesen wuchs in den letzten 9 Monaten in meinem Körper heran - und plötzlich war sie hier draußen und ich hielt sie in meinen Armen.

Ich hatte das Gefühl, dass alles irgendwie viel zu schnell ging. Der Kaiserschnitt machte alles so schnell, dass mein Verstand noch gar nicht zurück in meinen Körper kommen und aufholen konnte was gerade passiert war. Ich hatte keine Gedanken in meinem Kopf, ich sah sie nur an und fühlte dieses Unfassbarkeit des Ganzen... und Liebe! Ich weiß nicht wie lange sie da auf meiner Brust lag, aber schließlich verließen Markus und Loumi den Raum, um in einem anderen Raum zu kuscheln und Haut zu Haut ein erstes Bonding zu erleben, während ich im OP wieder zugenäht wurde.


Donnerstag, 17.09., gegen 19.30 Uhr

Es ist vollbracht. Sie manövrierten mich auf ein anderes Bett. Mein ganzer Unterkörper ist immer noch taub. Als sie mich in einen kleinen, warmen und gemütlichen Ruheraum schieben, sehe ich Markus mit ausgezogenem Hemd und Loumi auf der Brust im Zimmer gegenüber sitzen. Das zu sehen, machte mich so glücklich.

Es war mir so wichtig, dass Loumi gleich nach der Geburt eine Verbindung und Bindung zu uns, ihren Eltern aufbauen könnte, und da ich mich nicht so lange mit ihr verbinden konnte, erfüllte es mich mit so viel Freude, dass Markus dieses Bonding erleben konnte.


Nun waren wir alle gemeinsam im Ruheraum angekommen und die nächsten drei oder vier Stunden konnten wir uns als Familie verbinden. Ich war wieder in meinem Körper angekommen und fühlte nun endlich die wunderbar überwältigende Freude Mutter von Loumi Saya Joy geworden zu sein.


17/09/2020 - 18:23 Uhr - 50cm - 2980g


Eine Sache noch...

Jetzt, wo du bis hierher gelesen hast siehst du, dass meine Geburtsgeschichte, vollkommen anders verlief, als ich mir das vorgestellt hatte. Trotz all den Kurven und Bergen die sich auf dieser Reise erwiesen, war es eine magische und schöne Erfahrung.


Ich möchte auf jeden Fall sagen, dass ich unglaublich dankbar bin für die Atmosphäre, die mir dieses Krankenhaus geboten hat, für das unglaubliche Personal, vor allem die Hebamme und die Ärztin, die mich mit so viel Respekt und Einfühlungsvermögen auf dieser Reise begleitet haben.

Bei meinen Geburtsvorbereitungen während der Schwangerschaft verfasste ich zusammen mit meiner Doula einen "Geburtsplan B". Dieser "Plan B" war ein zweiseitiger Brief, den ich dem Krankenhauspersonal geben wollte, für den Fall dass wir unsere Hausgeburt verlegen mussten. Ich hatte diesen Brief in meiner Tasche, aber vom ersten Moment als ich in diesem Krankenhaus ankam verspürte ich keine Notwendigkeit ihnen meinen Geburtsplan und die darin niedergeschriebenen Wünsche zu zeigen.

Alle meine Wünsche und Vorstellungen wurden standardmäßig in diesem Krankenhaus erfüllt ohne dass ich danach fragen musste (bis auf das vaginal seeding - auf das wir schlichtweg vergessen hatten).

Markus war in der Lage, die Nabelschnur zu durchtrennen, und wir konnten sogar die Plazenta mit nach Hause nehmen - die hatten sie zwar eigentlich bereits entsorgt, aber sie bemühten sich und eilten, um sie noch zu retten und uns mit nach Hause zu geben.


Dieses Krankenhaus war ein solcher Segen - es schenkte mir die Möglichkeit zu sehen, dass eine Geburt im Krankenhaus genauso respektvoll und schön sein kann und nicht unbedingt eine schlechte Erfahrung sein muss.

Und obwohl ich mich in den kommenden Tagen nach der Geburt durchaus mit den unterschiedlichsten Gefühlen von Verletzung und Trauer konfrontiert sah; obwohl ich zwischendurch teilweise das Gefühl hatte ein Versager zu sein; obwohl ich etwas brauchte um zu akzeptieren, dass auch ein Kaiserschnitt eine wahrhaftige Geburt war -- bin ich mehr als dankbar, dass unser Baby jetzt hier ist und gesund ist - und ich möchte glauben, dass es auch ein bisschen ihre Entscheidung war, dass ihre Geburtsgeschichte diesen Verlauf nahm.

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